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Teil I.

Ich suchte das Haus mit der Nummer vierunddreißig. Meine Redaktion hatte mich mit einem Artikel für die Wochenendausgabe beauftragt. Es gab in dieser Gegend einen Mann, der tatsächlich einen drei Fuß langen Zierkürbis gezüchtete hatte. Und dieser Mann wohnte in dem Haus mit der Nummer vierunddreißig. Ich hatte mich im Laufe der Jahre schon an die eigenartigsten Geschichten gewöhnt, aber einen Zierkürbis so zu verwöhnen, bis er zu einem Monstrum wurde hielt ich für Unsinn. Ein solches Ding legt man für gewöhnlich in eine Schale, als Schmuck. Für diesen hätte man den ganzen Tisch gebraucht.

Die Nummern in dieser Straße waren völlig durcheinander. Ich hatte gerade ein paar deftige Worte auf den Lippen, als ich an einem großen Eisentor die verflixte Vierunddreißig entdeckte. Das Schild war schon ziemlich verrottet und man konnte es leicht übersehen. Die Einfahrt war mit Gras bewachsen und der schmale Pfad, der in das Grundstück führte, wurde von hohen, binsenartigen Gewächsen eingeengt. Der Vorgarten schien überhaupt recht verwildert. Warum kümmerte sich ein Mensch die ganze Zeit um einen einzigen Kürbis und ließ dafür in seinem Vorgarten einen Urwald entstehen? Das Tor gab nur widerstrebend und von einem mürrischen Knarren begleitet den Weg frei. Ich kämpfte mich durch die Binsen und klopfte an der Tür.

Seit ich durch das Gartentor getreten war, umgab mich eine eigenartige Ruhe. Drinnen rührte sich nichts. Die Jahre bei der Zeitung hatten mich hartnäckig werden lassen. Also klopfte ich ein weiteres Mal kräftig an die Türe. Endlich knarrte tief im Haus eine Diele, doch es dauerte noch eine Ewigkeit, bis ich den Schlüssel klappern hörte. Dann öffnete sich die Tür.

Vor mir stand ein Mann um die Sechzig. Er war mit einer Hausjacke bekleidet und hielt einen großen Schlüsselbund in der Hand. Der Mann ließ seinen Blick über mich gleiten.
»Bitte?« Er steckte die Hände in die Taschen
seiner Jacke und beobachtete mich weiter.
»Entschuldigen sie die Störung, mein Name ist Norton. Ich komme von der Zeitung.«
Der Mann lächelte ein wenig und trat dann zur Seite, mit dem Arm in das Innere des Hauses weisend.
»Oh ja, natürlich. Angenehm, Bent, mein Name ist Oscar Bent. Wenn sie mir bitte folgen würden.«
Er schloss die Tür hinter meinem Rücken und trat dann voraus, den dunklen Korridor entlang. Sein Gang wirkte grotesk. Es war nicht die Art eines Gebrechlichen, mit der er sich vor mir her bewegte, nein, er verzögerte nur jeden Schritt künstlich, wie ein guter Pantomime.
»Wenn sie inzwischen im Salon Platz nehmen würden, ich brühe uns nur schnell einen Tee. Es ist gerade die richtige Zeit dafür.« Er deutete auf die Türe am Ende des Korridors, nickte aufmunternd mit dem Kopf und bog in die Küche ab. Ich sah im kurz nach und begab mich dann in den Salon.

Der Raum war beeindruckend. Die großen Fenster waren allesamt mit schwarzen Tüchern verhängt, die nicht einmal einen Funken der hellen Nachmittagssonne hindurch ließen, die jetzt auf dieser Seite des Hauses stehen musste. Das Zimmer war nur von dem matten Schein einer Stehlampe beleuchtet, die sich zwischen zwei Sesseln inmitten des Raumes befand. Daneben stand ein wuchtiger Schreibtisch. Bücherregale, die bis an die Decke reichten, bedeckten fast jeden Quadratzentimeter der Wände. Die goldene Schrift auf einzelnen Buchrücken reflektierte das spärliche Licht, alles andere blieb im Dunkel. Eine mächtige Uhr stand in der Ecke und ein schleppendes Ticken erfüllte den Raum. Auf einer der Sessellehnen lag ein umgedrehtes Buch und darauf die Brille meines Gastgebers, neben dem Sessel ein kleiner Stapel Zeitungen. Alles was ich sah roch geradezu nach Gemütlichkeit, aber dennoch fühlte ich in diesem Raum eine Beklemmung, etwas Unheimliches. Längst schon hatte mich der Verdacht beschlichen, dass dieser Mann hier überhaupt nicht derjenige war, den ich suchte. Aber irgendetwas weckte meine Neugier, irgendetwas ließ mich nicht gehen.

Ich setzte mich in den unbenutzten Sessel, nahm meine Zigaretten aus der Jacke und zog den Aschenbecher, der auf dem Schreibtisch stand, ein wenig zu mir her. Dabei fiel mir ein Apparat ins Auge. Mitten auf der glänzenden Platte des Schreibtisches stand ein Metronom. Langsam zog der Zeiger seine Bahn und tickte jedes Mal laut, wenn er den Scheitelpunkt erreicht hatte. Jetzt bemerkte ich auch, dass das Pendel der Uhr, die in der Ecke stand, sich überhaupt nicht bewegte. Das den Raum erfüllende Ticken kam einzig und allein von diesem plichtbeflissenen und unbestechlichen Gerät auf dem Schreibtisch. Es war unmöglich, den Blick von dem goldenen Zeiger zu nehmen. Ich lehnte mich zurück und verfolgte ihn mit den Augen. Man wurde unweigerlich an die Art Pendel erinnert, die ein Hypnotiseur verwendet. Hin und her schwang der Zeiger und mir schien, als würde mein Puls die Resonanz zu diesem Takt suchen, als würde meinem ganzen Körper der Rhythmus der Maschine auferlegt. Es war ein sehr angenehmes Gefühl, und wer weiß, was mit mir geschehen wäre, wenn mein Gastgeber in diesem Moment meine Aufmerksamkeit nicht wieder auf sich gelenkt hätte.
»Bitte, Mr. Norton, ich hoffe, sie mögen meine Sorte.«
»Danke, ich bin nicht wählerisch«, bemerkte ich salopp. Mr. Bent lächelte vor sich hin. Vorsichtig stellte er das Tablett ab und füllte die Tassen. Mir fiel auf, dass er seine Worte genauso unnatürlich ausdehnte, wie er auch seinen Gang verlangsamte. Dennoch waren seine Bewegungen von einer außerordentlichen Präzision. Er reichte mir eine Tasse und ließ sich in den anderen Sessel nieder.
»So, die Zeitung schickt Sie also hierher?«
»Ja. Eigentlich muß ich einen Beitrag über einen Kürbiszüchter schreiben. Das ist doch hier die Nummer vierunddreißig?«
»In gewissem Sinne schon. Wissen sie, die Nummern sind vor ein paar Jahren geändert worden. Es ist eine Nachlässigkeit von mir. Ich habe mir schon gedacht, dass ich gar nicht derjenige bin, den sie suchen. Ich hoffe, sie sind mir deswegen nicht böse. Es ist schon ewig kein Mensch mehr bei mir gewesen und da habe ich mir erlaubt...«
Ich winkte ab. »Ist schon gut. Die Sache hat sowieso Zeit. Ich kann mir auch interessantere Geschichten vorstellen.«
»Da mögen sie recht haben.« Mein Gastgeber nahm einen Schluck aus der Tasse und blickte versonnen vor sich hin. Ich wendete meine Aufmerksamkeit wieder dem Gerät auf dem Schreibtisch zu. Langsam wurde ich neugierig.
»Sagen sie, was hat es mit diesem Metronom eigentlich auf sich? Ich meine, warum läuft es die ganze Zeit?«
Mr. Bent stellte seine Tasse ab und leckte sich kurz über die Lippen. »Nun, das will ich ihnen gerne erklären, aber ich müsste etwas ausholen. Haben sie soviel Zeit?«
»Alle Zeit der Welt«, antwortete ich neugierig. Mr. Bent nickte lächelnd und begann mir seine Geschichte zu erzählen.

»Nun, ich bin eigentlich Uhrmacher, müssen sie wissen. Und ich lebe schon seit vielen Jahren in diesem Haus. In besseren Zeiten hat es eine Menge Gäste gesehen, denn wir waren eine sehr große Familie. Meine Frau hat es stets verstanden, jedem Ding seinen Platz zu geben. Sie war eine liebenswerte Person, die liebenswerteste überhaupt. Sie kümmerte sich auch um den Garten. Sie werden bemerkt haben, dass mir das nur in unzulänglicher Weise gelingt Nun, meine große Familie hat seit Generationen mit einem schweren Los zu kämpfen. Vielleicht haben sie auch schon von diesen neuen Studien gehört, die belegen, dass die Anfälligkeit für Geschwüre wohl in großem Maße von der Vererbung abhängt. Und wie in anderen Familien das schlechte Augenlicht vererbt wird, so geben die Eltern meiner Sippe seit Generationen ihren Kindern den Krebs mit in die Wiege. Ich finde den Gedanken unerträglich, dass Gott beim Schenken des Lebens schon die Vorkehrung für das Nehmen desselben trifft. Unser Kreis schrumpfte in den letzten zwanzig Jahren zusehens. Immer öfter trafen wir uns, um einen der Unsrigen zu Grabe zu tragen. Immer kleiner wurde der Zug des letzten Geleits. Eigentlich hätten wir lernen müssen, damit umzugehen. Aber wenn sie jemals in eine ähnliche Lage kämen, was Gott verhindern möge, dann würden sie die Erkenntnis erlangen, dass wir einfach zu klein und zu schwach sind, um es zu begreifen. Es blieb für mich mein Leben lang eine Willkür, eine Ungerechtigkeit. Einige von uns ertrugen das nicht. Vor zwölf Jahren setzte meine Schwester dem Warten selbst ein Ende. Ich habe ihren Mut bewundert. Sechs Jahre später folgte mein Onkel ihrem Beispiel. Ich bin als Letzter übriggeblieben.«

Mr. Bent räusperte sich und nahm einen Schluck Tee. Während er redete, gewöhnte ich mich immer mehr an seine gedehnte Sprechweise. Immer vertrauter und natürlicher wurden mir seine zeitlupenhaften Bewegungen.
»Nun, das alles hätte ich ertragen können. Aber, als wäre das Kreuz auf meinem Rücken nicht schwer genug gewesen musste mir noch meine geliebte Frau genommen werden. Ich pflegte sie, ich fütterte sie. Ich musste zusehen, wie ihr Körper langsam verschwand. Was habe ich nicht alles getan, um wenigstens ihre Schmerzen zu lindern. Wie oft habe ich ihr Gesicht geküsst, ihr nasskaltes, entstelltes Gesicht, und mir dabei gewünscht, einen Pakt mit dem Teufel schließen zu können, auf das er mich an ihre Stelle läge. Aber ich musste sie gehen lassen.«

Er verharrte einen Moment und blickte auf seine Hände. Ich meinte, sehen zu können, wie seine Augen feucht wurden, aber im nächsten Moment war er wieder vollkommen gefasst.
»Ich stürzte mich in die Arbeit und mit der Zeit ließ der Schmerz über den Verlust nach. Doch an den Abenden, an denen ich nun allein mit meinen Gedanken war, machte sich eine neue Folter an mir zu schaffen: Die Angst. Gewiss, eigentlich müsste ich froh sein, so bald wie möglich in den Himmel zu kommen, an die Seite meiner geliebten Frau. Aber - so sehr ich mich auch bemüht habe, an diese Sache, an dieses Paradies nach dem Tode zu glauben - ich bin zu schwach. Ich war in all den Jahren nur von der Angst zu sterben erfüllt gewesen. Ich konnte nicht mehr schlafen. Wenn es mir am besten ging, glaubte ich fest daran, dass mir am nächsten Tag mein Arzt die fürchterliche Wahrheit offenbaren würde. Ich habe versucht, überhaupt nicht an die Krankheit zu denken, in der Hoffnung, sie würde mich vergessen. Aber schon beim leichtesten Zucken im Bauch, bei einem pelzigen Gefühl auf der Zunge, da packte sie mich wieder, die Angst, um mir eisigen Schweiß auf die Stirn zu treiben. Ich begann die Uhren zu hassen, die mich mit jedem Ticken dem Ausbruch der Krankheit näher brachten. Ich konnte sie nicht mehr hören. Können sie das verstehen? Wissen sie, wie das ist, verdammt?«

Er war, für seine Verhältnisse, recht heftig aus dem Sessel geschnellt, um mich mit seinen aufgerissenen Augen zu fragen. Ich nickte erschrocken. Der emotionale Ausbruch schien ihm im nächsten Moment peinlich und er fuhr im gleichen Atemzug mit seiner Rede fort, um das etwas zu überspielen.

»Eines Tages bat mich ein Freund, ein ausgezeichneter Pianist, sein Metronom zu reparieren. Die Aufzugsfeder war altersschwach geworden. Es war ein sehr schönes Stück und keine leichte Aufgabe für mich. Als ich es wieder zum Laufen gebracht hatte, nahm ich es am Abend noch mit in den Salon, um es auszuprobieren. Ich spielte eine ganze Weile damit herum. Aus reinem Nonsens fühlte dabei ich meinen Puls, was mir während meiner unzähligen Panikattacken fast schon zur lieben Gewohnheit geworden war, und versuchte, ihn in Gleichklang zum Takt zu bringen. Nach einiger Zeit bemerkte ich, wie mir mein Körper diese Aufgabe abzunehmen suchte. Ohne, dass ich mich darauf konzentrieren musste, passte er meinen Herzschlag dem vorgegebenen Takt an. Sie können sich vorstellen, dass mich dieser Umstand einigermaßen verblüffte. Wie ein Blitz traf mich die Erkenntnis, dass ich hier die Lösung an meiner Probleme in der Hand hielt. Nun erfasste mich eine unglaubliche Euphorie. Sofort brachte ich Pläne zu Papier, für ein Gerät, dass meinem Zwecke in vollkommener Weise dienlich war: Ein Metronom, dessen Takt man unendlich verlangsamen kann. Wissen sie, eines Tages wird die Medizin in der Lage sein, dieser teuflischen Krankheit Paroli zu bieten. Ich muss meinen Körper nur lange genug am Leben erhalten.«
Die Wangen meines Gegenübers hatten sich während der letzten Sätze vor Aufregung gerötet. Liebevoll blickte er auf den Apparat zu seiner Lin- ken.
»Es wird von Elektrizität angetrieben. Im Keller steht ein großes galvanisches Element. Es verhindert, dass der Takt einmal aussetzt, denn die Bewegung kann zwar unendlich langsam sein, aber ein Stillstand würde mich töten. Vor dreizehn Monaten habe ich begonnen, mit einem Puls von Dreiundsechzig. Inzwischen bin ich bei Mitte Vierzig. Während für sie ein Jahr vergangen ist, waren es für mich nur neun Monate. Und das ist erst der Anfang.«

Mr. Bent lehnte sich nun, da er mir seine umwerfende Geschichte erzählt hatte, behaglich in seinen Sessel zurück und erwartete sicher, dass ich für deren Verarbeitung ein Weilchen brauchen würde. Ich war in der Zwickmühle. Einerseits hatte ich in meinem Leben schon eine Menge Hypochonder kennen gelernt, zuweilen war ich selbst einer und wusste also um die Qualen, die man als solcher durchzustehen hatte. Andererseits war mir noch keiner begegnet, der sich selbst und andere in derart dreister Weise belog, um diese quälende Angst zu überwinden. Ich zog es vor, Mr. Bent an diesem Abend seinen Illusionen zu überlassen, und da ich plötzlich eine bleierne Müdigkeit verspürte, ließ ich das Gespräch in höflicher Konversation ausklingen, um mich dann zu verabschieden. Natürlich tat ich es nicht ohne das Versprechen, ihn doch wieder einmal zu besuchen, wenn ich in der Nähe wäre.

Als ich hinaus trat, schlug mir die klamme Nachtluft ins Gesicht. Schätzungsweise hatte ich drei, höchstens vier Stunden bei dem seltsamen Mann verbracht, demzufolge durfte es jetzt gegen halb neun Uhr sein. Aber die Zeiger meiner Armbanduhr standen gerade auf Zwölf und in der Ferne hörte ich die Turmuhr schlagen. »Unglaublich... ,« flüsterte ich vor mich hin. Ich flüsterte auffallend langsam.


Teil II

Natürlich dachte ich während der folgenden Wochen viel über diese Begebenheit nach. Dabei vermied ich es peinlichst, die Sache meinen Freunden zu erzählen. Es war nicht unbedingt mein Ziel, zum Gespött der ganzen Redaktion zu werden. Und je intensiver ich mich mit dem Erlebten auseinander setzte, desto unwirklicher erschien es mir. Schließlich war ich davon überzeugt, dass der Mann mir mit Hilfe des Tees eine Droge verabreicht hatte, die anscheinend das Zeitgefühl zu verändern imstande gewesen war. Nur auf die Frage nach dem Sinn des Ganzen, auf diese Frage fand ich keine Antwort.

Ein Jahr später hatte die Geschichte bei mir eigentlich nur noch den Status einer Anekdote, die ich inzwischen ordentlich ausgeschmückt auch hier und da zur Belustigung hervorbrachte, wobei ich geschickt vermuten ließ, dass ich mir die schaurige Sache selbst ausgedacht hätte. Die Recherche für einen Bericht der Sportredaktion, zu welcher ich inzwischen aufgestiegen war, führte mich dann wieder in die Nähe des Hauses mit der Nummer vierunddreißig. Als ich merkte, wo ich mich befand, erwachte die Neugier. Mr. Bent würde sicher nicht damit rechnen, dass ich eines Tages wieder auftauchen würde, nachdem er mich so verladen hatte. Ich konnte ihm die Genugtuung nehmen, und mir gleichzeitig solche verschaffen, wenn ich ihn also überraschte.

Das Eisentor war nur angelehnt, und die Gewächse des Vorgartens hatten den Weg zur Tür nun gänzlich überwuchert. Ich ging forsch auf das Haus zu und drückte die Klinke herunter, ohne zu klopfen. Das Haus war diesmal unverschlossen. Ich bewegte mich vorsichtig, um noch nicht auf mich aufmerksam zu machen. Leise schlich ich zu der Türe des Salons und öffnete sie dann mit einem Ruck.
Mr. Bent saß in seinem Sessel. Ganz still saß er dort, ohne die leiseste Regung. Ich trat einen Schritt ins Zimmer ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Millimeterweise schien sich sein Kopf in meine Richtung zu drehen. Plötzlich kam mir ein wunderbarer Gedanke. Ich hastete auf das Metronom zu, dass noch immer auf seinem Schreibtisch tickte, wenn auch mindestens dreimal langsamer, als bei meinem letzten Besuch. Ich fühlte, wie mein Körper gebremst wurde, als würde ich in einem Sumpf laufen. Obwohl ich jeden Muskel mobilisierte, wurde ich immer langsamer. Mr. Bent hatte inzwischen den Kopf soweit gedreht, dass er mich ansehen konnte. Ich erreichte endlich den Schreibtisch. Mr. Bent durchschaute wohl den Jux, den ich mit ihm vorhatte, denn er riss die Augen auf und wollte etwas rufen, aber ich grinste schon triumphierend, legte meinen Finger auf den Zeiger des Apparates und hielt ihn an.


Teil III

Mr. Bent hat sich geirrt. Man stirbt nicht, wenn der Takt aufhört. Man steht nur still. Seit dreizehn Jahren schaue ich in seine vorwurfsvollen Augen. Ich hasse die Art, mit der er mich ansieht. Seit dem Frühjahr beginnen die Gläser aus den Fensterrahmen zu fallen, weil der Kitt vermodert ist. Im letzten Jahr ist ein Teil des Daches zusammengebrochen. Das alles führt zu einem ziemlich ungemütlichen Klima. Zudem ist gestern auch noch das Rückenteil meiner Jacke abgefallen. Baumwolle ist bei solchen Gelegenheiten einfach nicht angebracht, sie löst sich zu schnell auf. Vielleicht hat man da in der Zwischenzeit etwas robusteres erfunden. Mr. Bent hat eigentlich gar keinen Grund, so vorwurfsvoll zu blicken. Seine Hausjacke sieht noch aus wie neu. Schurwolle, Gott, wie ich ihn beneide! Wenn da nur nicht dieser Staub wäre. Gut vier Zoll hoch liegt er auf meiner Hand, auf meinen Schultern und natürlich auf Mr. Bent.
Noch ein paar Jahre, und seine Augen sind hoffentlich auch davon bedeckt. Wie sie mich ansehen ... Ich hasse diese Augen. Nichts hasse ich mehr als diese Augen.